Gärten sind prägend für das ganze Leben. Lebenserinnerungen und Autobiografien enthalten regelmäßig Rückblicke auf Gärten und damit verbundene Erlebnisse. Oft im Zusammenhang mit lieben Menschen, an die man im Alter gerne träumend zurückdenkt: Der Garten des Großvaters, der netten Nachbarin, des besten Freundes oder der besten Freundin. Oder es ist der eigene Garten, sei er direkt hinter dem Hause gelegen oder so weit entfernt, dass er nur am Wochenende Ziel der Familie war.
Wir möchten an dieser Stelle solche Erinnerungen zugänglich machen. Wenn Sie mit Ihren eigenen Erinnerungen zu beitragen möchten, so freuen wir uns auf Ihren Beitrag, den wir gerne veröffentlichen.
Den Anfang macht ein Gedicht von Rainer Maria Rilke aus dem Jahre 1905/06:
Auch der Lyriker und Schriftsteller Joseph Frhr. von Eichendorff (1788-1857) erinnert sich an den Garten seiner Kindheit am Schloss Lubowitz (heute Łubowice) bei Ratibor, von dem leider nur noch Ruinen erhalten sind:
"Meine frühesten Erinnerungen verlieren sich in einem großen, schönen Garten. Lange, hohe Gänge von gradbeschnittenen Baumwänden laufen nach allen Richtungen zwischen großen Blumenfeldern hin, die Wolken ziehen hoch über die dunklen Gänge weg, ein wunderschönes kleines Mädchen, älter als ich, sitzt an der Wasserkunst und singt welsche Lieder, während ich oft stundenlang an den eisernen Stäben des Gartentores stehe, das an die Straße stößt, und sehe, wie draußen der Sonnenschein wechselnd über Wälder und Wiesen fliegt, und Wagen, Reiter und Fußgänger am Tore vorüber in die glänzende Ferne hinausziehen. Diese ganze, stille Zeit liegt weit hinter all dem Schwalle der seitdem durchlebten Tage, wie ein uraltes, wehemütig süßes Lied, und wenn mich oft nur ein einzelner Ton davon wieder berührt, faßt mich ein unbeschreibliches Heimweh, nicht nur nach jenen Gärten und Bergen, sondern nach einer viel ferneren und tieferen Heimat, von welcher jene nur ein lieblicher Widerschein zu sein scheint."
Justinus Kerner (1786-1862), der schwäbische Dichter, zeichnet in seinem "Bilderbuch aus meiner Knabenzeit" seine Erinnerungen an die Gärten seines Vaters (Oberamtmann in Ludwigsburg) auf und gibt uns damit ein schönes Zeugnis der bürgerlichen Leidenschaft für den Garten:
" Mein Vater war ein großer Freund der Baumzucht. Abends nach des Tages Mühe und Last eilte er meistens in seine Gärten. Ein kleiner Garten war hinter der Oberamtei, in welchem ich auch ein kleines Plätzchen zum Anbau bekam. Ich erinnere mich aber nicht, daß ich es mit Blumen bepflanzte, sondern immer mit Salat. Einen großen Garten als Eigenthum besaß mein Vater eine Viertelstunde vor der Stadt, vor dem Thore, das auf die Solitude führt, in dem sogenannten Lerchenholze. Dahin wanderte ich oft Abends zwischen den herzoglichen Gewächshäusern und dem See hin, und hielt mich da oft, während der Vater vorausging, nach den Orangebäumen und Blüthen durch die Fenster schauend zurück, oder sah ich dem in dem See schwimmenden Geflügel zu.
Der Garten war mit einer großen Mauer umgeben und enthielt Baumschulen und Bienenhäuser. Sobald mein Vater da ankam, legte er Hut und Stock in dem kleinen Gartenhause nieder, zog seinen Rock aus und eilte mit Messer und Säge versehen zu seiner lieben Baumpflanzung. Hier wurde nun alles aufs genaueste in Ordnung gebracht, gebunden und mit großer Strenge beschnitten. Bäume, die im Wachsthum sich krümmen wollten, waren im ein Gäuel, alles mußte aufrecht und in gerader Linie stehen. man sah in diesem Thun und Lassen, in diesen Pflanzungen ganz seine Liebe zur Ordnung und strengen Zucht. Durch Inokulation und Impfung veredelte er die wilden Stämme, die er meistens selbst aus den Kernen zog, und führte über alles Kataloge. Ich habe auch kein üppigeres Obst mehr gesehen, als ich damals sah. Pfirsiche, Kirschen Birnen und Äpfel waren in den seltensten größten Arten vorhanden. Kirschen hatte er vom Mai bis in den September, und nie sah ich die sauern Weichsel mehr in dieser Größe und Vollkommenheit wieder. Es wurden, besonders mit letzteren, an Freunde und an die Tafel des Herzogs öfters Geschenke gemacht.
Man pflegte Kirsche um Kirsche mit etwas abgeschnittenem Stiele, der nach innen gekehrt sein mußte, in einen großen blechernen Trichter zu legen, den man, war er bis zum Rande gefüllt, auf einen mit Weinlaub bedeckten Teller umstürzte, worauf auf dem Teller ein Pyramide von Kirschen stand. Solche Teller wurden dann zur Kirschenzeit in Menge in befreundete Häuser geschickt, denn es waren Sorten, die sonst selten zu finden waren. Auch der schwarze Maulbeer war ein Lieblingsbaum meines Vaters, und vom Gemüsegarten pflegte er besonders die Artischocken und Spargeln..."
Im autobiografischen Roman "Der Rosendoktor", dem 1906 erschienenen Erstlingswerk des Arztes und Schriftstellers Ludwig Finckh (1876-1964), heißt es:
"Was war uns unser Garten! Wiege und Grab, unser Trost und unsere Heimat. Ja, er war unsere Heimat, nicht das alte, finstere Haus, in dem wir wohnten. Zu ihm flüchteten wir uns, wenn wir weinten, zu ihm gingen wir um Rat in schweren Kinderdingen, und er nahm uns wohl und gut an seine Brust. Unser Garten hat mich lächeln gelehrt und mir die erste Sonne eingefange, unser lieber alter Garten hat gerauscht mit seinen Wipfeln, wenn ich zu ihm kam. In seiner Erde sind die Gräblein unserer Hasen, mit den Kreuzen aus Kastanienzweigen darauf. Seine Erde roch kräftig und würzig nach jedem Regen, und die Schmetterlinge flogen niergends lieber als in seinem Duft. Die Blumen wuchsen rascher und farbiger als irgendwo, die Stare sangen und die Regenwürmer krümmten sich, die Birnen wurden süß und schwer, die Rosenäpfel leuchteten wie Blut im Laube. Denn es war der Garten unserer Kindheit. Wir saßen im blühenden Kastanienbaume und lauschten ihm, und wir verstanden,was der Wind zu ihm sagte und was die Sonne zu ihm sagte. Die Raupen krochen leise an den Stengeln, die Bienen flogen um die Lilien und Kaiserkronen, die Sonnenblumen glänzten wie Gold und Kupfer, und die Grillen sangen wie silberne Glocken. Ich lag im Rasen und lauschte, und der Garten nährte und pflegte mich mit Duft und Klang und Farbe..."
Auch im Werk des jung verstorbenen expressionistischen Schriftstellers Georg Trakl (1887-1914) findet sich ein Gedicht, über seine Kinderzeit im Garten:
Voll Früchten der Holunder; ruhig wohnt die Kindheit
In blauer Höhle. Über vergangenen Pfad,
Wo nun bräunlich das wilde Gras saust,
Sinnt das stille Geäst, das Rauschen des Laubs
Ein gleiches, wenn das blaue Wasser im Felsen tönt.
Sanft ist der Amsel Klage. Ein Hirt
Folgt sprachlos der Sonne, die vom herbstlichen Hügel rollt.
Ein blauer Augenblick ist nur mehr Seele,
Am Waldsaum zeigt sich ein scheues Wild und friedlich
Ruhn im Grund die alten Glocken und finsteren Weiler.
Frömmer kennst du den Sinn der dunklen Jahre,
Kühle und Herbst in einsamen Zimmern;
Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort.
Leise klirrt ein offenes Fenster; zu Tränen
Rührt der Anblick des verfallenen Friedhofs am Hügel,
Erinnerung an erzählte Legenden; doch manchmal erhellt sich die Seele,
Wenn sie frohe Menschen denkt, dunkelgoldene Frühlingstage.
Der Wiener Alfred Passecker schreibt im Vorwort seines mit Buches "Allsamt ein irdisch Paradies oder Garten-Brevier" (zusammen mit Paul G. Gruber, Wien-Berlin, 1976):
"Das Paradies meiner Kindheit war ein kleines hölzernes Gartenhaus auf der Höhe eines südseitigen Hanges. Durch den alten Garten, in dem es stand, führte eine steile Treppe zu ihm hinauf, die beiderseits mit niederem Buchs eingefaßt war. Stand ich im Frühjahr in der geöffneten Tür des Salettls, so konnte ich, über die blühenden Obstbäume und zartgrünen Beete hinweg, die Silouette der fernen Berge sehen. Im Vordergrund lag ein abgegrenzter Gartenteil mit Gemüse und Zierpflanzen, in dem auch mir ein kleines Beet zugewiesen war, das ich nach meinem Gutdünken bepflanzen durfte, aber auch selbst betreuen mußte. Damals empfand ich zum ersten Mal ganz deutlich die besondere Atmosphäre, die Gärten zu schenken vermögen: das Gefühl der Geborgenheit, des Abgeschirmtseins gegen die Einflüße der Außenwelt, die Beglückung durch die Schönheit und die Harmonie eines geordneten und sinnvoll gestalteten Stückes Natur. Diese frühen Eindrücke haben mich, ich kann das rückblickend sagen, durch mein ganzes Leben weiterbegleitet."
Mathilde Maier, promovierte Chemikerin, musste als Jüdin 1938 Deutschland in Richtung Brasilien verlassen. Erst 1978 hat sie "eine Autobiografie in Gärten" vorgelegt. Das erste Kapitel spielt um 1900 im Garten ihres Vaters, der Lehrer in Dinslaken am Niederrhein war. In ihren lebhaften Erinnerungen entsteht vor den Augen des Lesers noch heute ein greifbares Bild dieses Gartens:
"Der erste Garten in meinem Leben lag in einem kleinen Städtchen am Niederrhein […]. […] Wir dagegen hatten eine Menge Katzen zu Hause. […] Sie hielten das große alte Haus mit den weiten Dachböden mäusefrei. Vor allem waren sie die lebendigsten Spielzeuge für uns. […] Wenn eine Katze krank war, herrschte Trauer, und wenn eine starb, gab es eine Beerdigung mit Grabhügel unter dem großen Birnbaum, wo wir unsere Kinderbeete hatten. Auf den kleinen Beeten zogen wir Radieschen und Kresse; groß wurde nie etwas darauf, weil man zu oft nachsehen musste, ob die Radieschen schon dick waren. Wahrscheinlich war auch der Platz unter dem großen Birnbaum, der im Sommer kleine graue Birnen in großer Menge trug, zu schattig. Aber unvergeßlich ist dies Kindergärtchen mir doch geblieben, weil man da ganz allein wirken konnte, wie man wollte. […]"
Wir möchten an dieser Stelle solche Erinnerungen zugänglich machen. Wenn Sie mit Ihren eigenen Erinnerungen zu beitragen möchten, so freuen wir uns auf Ihren Beitrag, den wir gerne veröffentlichen.
Den Anfang macht ein Gedicht von Rainer Maria Rilke aus dem Jahre 1905/06:
Kindheit
Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen ...
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontanen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit-.
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen-:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.
Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen-:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.
Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt-:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.
Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien-:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?
Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen ...
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontanen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit-.
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen-:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.
Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen-:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.
Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt-:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.
Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien-:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?
Auch der Lyriker und Schriftsteller Joseph Frhr. von Eichendorff (1788-1857) erinnert sich an den Garten seiner Kindheit am Schloss Lubowitz (heute Łubowice) bei Ratibor, von dem leider nur noch Ruinen erhalten sind:
"Meine frühesten Erinnerungen verlieren sich in einem großen, schönen Garten. Lange, hohe Gänge von gradbeschnittenen Baumwänden laufen nach allen Richtungen zwischen großen Blumenfeldern hin, die Wolken ziehen hoch über die dunklen Gänge weg, ein wunderschönes kleines Mädchen, älter als ich, sitzt an der Wasserkunst und singt welsche Lieder, während ich oft stundenlang an den eisernen Stäben des Gartentores stehe, das an die Straße stößt, und sehe, wie draußen der Sonnenschein wechselnd über Wälder und Wiesen fliegt, und Wagen, Reiter und Fußgänger am Tore vorüber in die glänzende Ferne hinausziehen. Diese ganze, stille Zeit liegt weit hinter all dem Schwalle der seitdem durchlebten Tage, wie ein uraltes, wehemütig süßes Lied, und wenn mich oft nur ein einzelner Ton davon wieder berührt, faßt mich ein unbeschreibliches Heimweh, nicht nur nach jenen Gärten und Bergen, sondern nach einer viel ferneren und tieferen Heimat, von welcher jene nur ein lieblicher Widerschein zu sein scheint."
Justinus Kerner (1786-1862), der schwäbische Dichter, zeichnet in seinem "Bilderbuch aus meiner Knabenzeit" seine Erinnerungen an die Gärten seines Vaters (Oberamtmann in Ludwigsburg) auf und gibt uns damit ein schönes Zeugnis der bürgerlichen Leidenschaft für den Garten:
" Mein Vater war ein großer Freund der Baumzucht. Abends nach des Tages Mühe und Last eilte er meistens in seine Gärten. Ein kleiner Garten war hinter der Oberamtei, in welchem ich auch ein kleines Plätzchen zum Anbau bekam. Ich erinnere mich aber nicht, daß ich es mit Blumen bepflanzte, sondern immer mit Salat. Einen großen Garten als Eigenthum besaß mein Vater eine Viertelstunde vor der Stadt, vor dem Thore, das auf die Solitude führt, in dem sogenannten Lerchenholze. Dahin wanderte ich oft Abends zwischen den herzoglichen Gewächshäusern und dem See hin, und hielt mich da oft, während der Vater vorausging, nach den Orangebäumen und Blüthen durch die Fenster schauend zurück, oder sah ich dem in dem See schwimmenden Geflügel zu.
Der Garten war mit einer großen Mauer umgeben und enthielt Baumschulen und Bienenhäuser. Sobald mein Vater da ankam, legte er Hut und Stock in dem kleinen Gartenhause nieder, zog seinen Rock aus und eilte mit Messer und Säge versehen zu seiner lieben Baumpflanzung. Hier wurde nun alles aufs genaueste in Ordnung gebracht, gebunden und mit großer Strenge beschnitten. Bäume, die im Wachsthum sich krümmen wollten, waren im ein Gäuel, alles mußte aufrecht und in gerader Linie stehen. man sah in diesem Thun und Lassen, in diesen Pflanzungen ganz seine Liebe zur Ordnung und strengen Zucht. Durch Inokulation und Impfung veredelte er die wilden Stämme, die er meistens selbst aus den Kernen zog, und führte über alles Kataloge. Ich habe auch kein üppigeres Obst mehr gesehen, als ich damals sah. Pfirsiche, Kirschen Birnen und Äpfel waren in den seltensten größten Arten vorhanden. Kirschen hatte er vom Mai bis in den September, und nie sah ich die sauern Weichsel mehr in dieser Größe und Vollkommenheit wieder. Es wurden, besonders mit letzteren, an Freunde und an die Tafel des Herzogs öfters Geschenke gemacht.
Man pflegte Kirsche um Kirsche mit etwas abgeschnittenem Stiele, der nach innen gekehrt sein mußte, in einen großen blechernen Trichter zu legen, den man, war er bis zum Rande gefüllt, auf einen mit Weinlaub bedeckten Teller umstürzte, worauf auf dem Teller ein Pyramide von Kirschen stand. Solche Teller wurden dann zur Kirschenzeit in Menge in befreundete Häuser geschickt, denn es waren Sorten, die sonst selten zu finden waren. Auch der schwarze Maulbeer war ein Lieblingsbaum meines Vaters, und vom Gemüsegarten pflegte er besonders die Artischocken und Spargeln..."
Im autobiografischen Roman "Der Rosendoktor", dem 1906 erschienenen Erstlingswerk des Arztes und Schriftstellers Ludwig Finckh (1876-1964), heißt es:
"Was war uns unser Garten! Wiege und Grab, unser Trost und unsere Heimat. Ja, er war unsere Heimat, nicht das alte, finstere Haus, in dem wir wohnten. Zu ihm flüchteten wir uns, wenn wir weinten, zu ihm gingen wir um Rat in schweren Kinderdingen, und er nahm uns wohl und gut an seine Brust. Unser Garten hat mich lächeln gelehrt und mir die erste Sonne eingefange, unser lieber alter Garten hat gerauscht mit seinen Wipfeln, wenn ich zu ihm kam. In seiner Erde sind die Gräblein unserer Hasen, mit den Kreuzen aus Kastanienzweigen darauf. Seine Erde roch kräftig und würzig nach jedem Regen, und die Schmetterlinge flogen niergends lieber als in seinem Duft. Die Blumen wuchsen rascher und farbiger als irgendwo, die Stare sangen und die Regenwürmer krümmten sich, die Birnen wurden süß und schwer, die Rosenäpfel leuchteten wie Blut im Laube. Denn es war der Garten unserer Kindheit. Wir saßen im blühenden Kastanienbaume und lauschten ihm, und wir verstanden,was der Wind zu ihm sagte und was die Sonne zu ihm sagte. Die Raupen krochen leise an den Stengeln, die Bienen flogen um die Lilien und Kaiserkronen, die Sonnenblumen glänzten wie Gold und Kupfer, und die Grillen sangen wie silberne Glocken. Ich lag im Rasen und lauschte, und der Garten nährte und pflegte mich mit Duft und Klang und Farbe..."
Auch im Werk des jung verstorbenen expressionistischen Schriftstellers Georg Trakl (1887-1914) findet sich ein Gedicht, über seine Kinderzeit im Garten:
Voll Früchten der Holunder; ruhig wohnt die Kindheit
In blauer Höhle. Über vergangenen Pfad,
Wo nun bräunlich das wilde Gras saust,
Sinnt das stille Geäst, das Rauschen des Laubs
Ein gleiches, wenn das blaue Wasser im Felsen tönt.
Sanft ist der Amsel Klage. Ein Hirt
Folgt sprachlos der Sonne, die vom herbstlichen Hügel rollt.
Ein blauer Augenblick ist nur mehr Seele,
Am Waldsaum zeigt sich ein scheues Wild und friedlich
Ruhn im Grund die alten Glocken und finsteren Weiler.
Frömmer kennst du den Sinn der dunklen Jahre,
Kühle und Herbst in einsamen Zimmern;
Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort.
Leise klirrt ein offenes Fenster; zu Tränen
Rührt der Anblick des verfallenen Friedhofs am Hügel,
Erinnerung an erzählte Legenden; doch manchmal erhellt sich die Seele,
Wenn sie frohe Menschen denkt, dunkelgoldene Frühlingstage.
Der Wiener Alfred Passecker schreibt im Vorwort seines mit Buches "Allsamt ein irdisch Paradies oder Garten-Brevier" (zusammen mit Paul G. Gruber, Wien-Berlin, 1976):
"Das Paradies meiner Kindheit war ein kleines hölzernes Gartenhaus auf der Höhe eines südseitigen Hanges. Durch den alten Garten, in dem es stand, führte eine steile Treppe zu ihm hinauf, die beiderseits mit niederem Buchs eingefaßt war. Stand ich im Frühjahr in der geöffneten Tür des Salettls, so konnte ich, über die blühenden Obstbäume und zartgrünen Beete hinweg, die Silouette der fernen Berge sehen. Im Vordergrund lag ein abgegrenzter Gartenteil mit Gemüse und Zierpflanzen, in dem auch mir ein kleines Beet zugewiesen war, das ich nach meinem Gutdünken bepflanzen durfte, aber auch selbst betreuen mußte. Damals empfand ich zum ersten Mal ganz deutlich die besondere Atmosphäre, die Gärten zu schenken vermögen: das Gefühl der Geborgenheit, des Abgeschirmtseins gegen die Einflüße der Außenwelt, die Beglückung durch die Schönheit und die Harmonie eines geordneten und sinnvoll gestalteten Stückes Natur. Diese frühen Eindrücke haben mich, ich kann das rückblickend sagen, durch mein ganzes Leben weiterbegleitet."
Mathilde Maier, promovierte Chemikerin, musste als Jüdin 1938 Deutschland in Richtung Brasilien verlassen. Erst 1978 hat sie "eine Autobiografie in Gärten" vorgelegt. Das erste Kapitel spielt um 1900 im Garten ihres Vaters, der Lehrer in Dinslaken am Niederrhein war. In ihren lebhaften Erinnerungen entsteht vor den Augen des Lesers noch heute ein greifbares Bild dieses Gartens:
"Der erste Garten in meinem Leben lag in einem kleinen Städtchen am Niederrhein […]. […] Wir dagegen hatten eine Menge Katzen zu Hause. […] Sie hielten das große alte Haus mit den weiten Dachböden mäusefrei. Vor allem waren sie die lebendigsten Spielzeuge für uns. […] Wenn eine Katze krank war, herrschte Trauer, und wenn eine starb, gab es eine Beerdigung mit Grabhügel unter dem großen Birnbaum, wo wir unsere Kinderbeete hatten. Auf den kleinen Beeten zogen wir Radieschen und Kresse; groß wurde nie etwas darauf, weil man zu oft nachsehen musste, ob die Radieschen schon dick waren. Wahrscheinlich war auch der Platz unter dem großen Birnbaum, der im Sommer kleine graue Birnen in großer Menge trug, zu schattig. Aber unvergeßlich ist dies Kindergärtchen mir doch geblieben, weil man da ganz allein wirken konnte, wie man wollte. […]"
(aus: Dies., Alle Gärten meines Lebens. Mit Zeichnungen der Autorin © Verlag J. Knecht in der Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. 1978)